Im ICE

Digitalisierung in Deutschland

Auf dem Chaos Computer Camp führte ich ein langes Gespräch mit einer Person, die sieht, wie ihre Mutter Probleme mit ihrem PC hat. Sie möchte ihr gern helfen, weiß aber nicht so richtig wie. Am liebsten würde sie einen neuen PC kaufen, den “schön” einrichten und ihr schenken. Die Mutter will das nicht, sie hat Angst, dass die Icons auf dem Desktop auf dem neuen PC anders angeordnet sind.

Jetzt sitze ich in einem ICE und lese ein Buch. Eine Schaffnerin (heißt das so?) kontrolliert Fahrkarten. Etwa die Hälfte der Fahrgäste hat die Tickets auf einen elektronischen Gerät. Die Schaffnerin hat ein Lesegerät für QR Codes in der Größe eines kleinen Laptops, also recht klobig und schwer. Sie ist sichtlich genervt über die virtuellen Tickets weil viele Fahrgäste ihr Gerät nicht bedienen können.

Mir gegenüber sitzt eine Frau mit einem iPad. Als die Schaffnerin zu ihr kommt, sagt die Frau, dass das Ticket irgendwo auf dem Gerät ist und sie es suchen muss. Jemand hat ihr das eingerichtet weil das viel schneller sei. Sie lacht dabei und kokettiert etwas mit ihrer Ahnungslosigkeit. Die Schaffnerin nimmt das zur Kenntnis und geht weiter.

Ein paar Minuten später kommt sie zurück. Die Frau mit dem iPad hat das Ticket nicht gefunden und versucht sich gerade auf der Website der Bahn anzumelden um sich ein Ticket als PDF herunterzuladen. Den Tip hat sie von ihrem Sitznachbarn. Sie weiß ihr Passwort nicht und tippt hektisch auf dem Gerät herum. Das WiFi im Zug ist schlecht, die Telefonverbindung schwankt zwischen E und 3G.

Die Schaffnerin steht ein paar unendlich lange Minuten daneben. Schließlich sagt sie, dass sie der Frau auch nicht helfen könne und jetzt gern das Ticket sehen möchte. 

Die Frau mit dem iPad gibt auf, kramt in ihrer Tasche und zieht ein ausgedrucktes, gültiges Ticket hervor.

Die Schaffnerin holt ihre Zange heraus, entwertet das Ticket, ist glücklich und geht weiter. 

Die Frau ist auch glücklich, wischt sich den Schweiß von der Stirn und sucht nun seit einer Stunde das Ticket auf dem iPad.

Ich beobachte sie dabei und sehe, dass sie mit dem Gerät einfach nicht klarkommt. Sie hat eine Textdatei mit Notizen offen und versucht per WhatsApp Hilfe zu bekommen.

Der Zug ist heiss und voll. Es ist Montagmorgen. Die Klimaanlage ist ausgefallen.

Beim naechsten Halt steigt eine neue Schaffnerin zu. Die Frau hat zwischenzeitig ein PDF Ticket erhalten und versucht ein Gespräch mit der Schaffnerin zu beginnen. Anfangs ist das recht holperig, weil die Schaffner echt im Stress sind. Im Laufe des Gesprächs erzählt die Schaffnerin von Leuten, die keine Ahnung haben, wie sie ihre Geräte bedienen und das der Scan-Prozess mit Papier Tickets viel einfacher geht mit ihrem Gerät.


Posted

in

,

by

Comments

Leave a Reply

Leave a Reply