Ich war gestern in einem Punk Konzert.
1976 (also vor 40 Jahren) kam ich in der Schule das erste mal mit Punks in Berührung. Sie hatten vom System die Nase voll und machten ihr eigenes Ding. Das konnte “Bier trinken” und “schräge Klamotten tragen” sein, aber auch Gedichte schreiben, Ratten dressieren, ausgefallene (mit Bier) gestylte Frisuren und ähnliches. Mehrere Punker waren damals in meiner Klasse und ich fand das gut. Das was mir gefiel war die Auflehnung gegen Leute, die dir sagen wollen wie du zu leben hast. Also so ziemlich jeder in der Schule …
Bands wie die Sex Pistols waren “in” aber doch sehr weit entfernt von der norddeutschen Tiefebene. Trotzdem, weil es so schön ist – Anarchy in the UK mit explodierenden Flugzeugen und durchaus kommerzieller Cleverness.
Obwohl ich nie wirklich in die deutsche Punkkultur involviert war, bekam ich die Anfänge in Norddeutschland ganz gut mit, weil in Hannover damals die Chaostage waren. Hier ein ganz rührender Bericht von “Hallo Niedersachsen” aus dem Juli 1983.
https://www.youtube.com/watch?v=YgBcWBW-vXM
1983 war die Punkkultur, die ich kannte, bereits lange vorbei. Leute wie Vivienne Westwood stellten ihre ersten Modekollektionen in Paris vor. Ihr geschiedener Mann MalcolmMcLaren (Manager der Sex Pistols) entdeckte Scratchen und HipHop.
Sigue Sigue Sputnik fassten das alles mal poptechnisch zusammen und nannten es Post-Punk
https://www.youtube.com/watch?v=jgk39i2cUj4
Damit war für mich das Thema Punk eigentlich auch durch. In den letzten Jahren habe ich Punker nur in größeren Städten wie Wien, Barcelona und oft in der Schweiz gesehen.
Und ansonsten gab es die Ärzte :)
Das Konzert
Gestern nun war ich bei Turbostaat, einer Band aus Husum, die 1999 gegründet wurde und Punk Musik macht. Sie haben seitdem sechs Alben veroeffentlicht, spielen immer wieder live und koennen von ihrer Musik leben. Trotzdem bekommen sie den Spagat zwischen Systemkritik und Nutzung des System wohl ganz gut hin (Interview mit der Band).
Auszug:
„Die gleichen Freiheiten und Qualitäten behält man wahrscheinlich nur, wenn man versucht, so viel wie möglich selbst zu machen. Ich denke, es geht gar nicht anders, in einem Indie- oder Punkrahmen größer zu werden und davon zu leben, als so. Ich kann mir nicht vorstellen, dass es funktioniert, wenn man sich der großen Mechanismen bedient. Vielleicht geht‘s ja doch, aber für mich nicht.“
Das Publikum war eine erfreuliche Mischung aus alt und jung. Die Musik war einfach, gut und laut. Die Texte habe ich selten verstanden aber wenn, dann ging es um Gefühle, Aufruhr, Konsum, Gesellschaft beispielsweise so etwas:
Es ist ein nettes Haus
nur für euch allein
und die Karre davor
noch nicht mal gebraucht
Und der grösste Teil ist auch noch gespart
Zum Glück würde einer töten
für ein kleines
bisschen
Geld
Voran! Voran!
Und dann im Februar
auf dem Weg nach Kandahar
liegst du zitternd auf dem Boden
während Andere ins Kino gehen
Ich hatte oft Gänsehaut. Einerseits von den Bässen aber auch von der Stimmung dort. Das Konzert war gut und macht mir Hoffnung das zwischen all den Konsumzombies noch ein paar “normale” Leute sind.
WIR KÖLN ALLES UND ALLES KÖLN WIR SEIN!! ❤✌🏻 pic.twitter.com/lzZVNO7tFx
— TURBOSTAAT (@TURBOSTAAT) January 29, 2017
Hier noch ein Artikel aus der Taz (In Eierlikoergefangenschaft) der ganz gut die Musik beschreibt.
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